Einleitung
Nachdem der Kanton Zürich im Jahre 2022 seine Absichten zum Ausbau der Windenergie publik gemacht hatte, legt die Baudirektion nun in der „Windenergieplanung Phase 2“ die Priorisierung der Standorte und die „Steckbriefe der Potenzialgebiete“ vor.
Mit der Medienmitteilung vom 2.7.2024 gibt der Regierungsrat Richtplaneinträge für Windenergie-Eignungsgebiete und die Wasserkraftnutzung sowie eine Vorlage zur Beschleunigung der Verfahren in die öffentliche Anhörung.
Einige grundsätzliche Gedanken
Der Wirtschaftsraum Zürich ist ein grosser Konsument von elektrischer Energie. Es ist daher zu begrüssen, dass an diesem wichtigen Wirtschaftsstandort die Verantwortung für die Energieversorgung wahrgenommen wird. Ob Wasserkraft, Solarenergie oder Windkraft – der Ausbau von Energieanlagen greift in das Landschaftsbild und den Naturhaushalt ein. Es ist deshalb dem Zürichsee Landschaftsschutz ein Anliegen zur Windenergieplanung des Kantons Zürich Stellung zu beziehen.
Grundsätzlich bietet die vorhandene Infrastruktur gute Voraussetzungen Solaranlagen ohne weitere Belastungen für die unbebaute Landschaft zu installieren. Diesbezügliche Bemühungen sind nun – spät zwar – angedacht.
Gleichzeitig wird aber umso deutlicher, dass man bis heute die Speicherungs- und die Übertragungsinfrastruktur für diese Energieträger sträflich vernachlässigt hat.
Für die Nutzung erneuerbarer Energie – sie fällt bei der Solar- und der Windenergie temporär an – ist deren Speicherung unabdingbar. Auf technologische Neuerungen in dieser Hinsicht zu warten (im August 2024 hat der Kanton Zürich hierzu Forschungsanstrengungen in Aussicht gestellt!), erweist sich bereits beim heutigen sanften Zubau der Solarenergie als problematisch. Es wurde versäumt auf die traditionelle Speicherung mit Pumpspeicheranlagen in bestehenden Stauseen hinzuarbeiten. Die strategische Zusammenarbeit mit benachbarten Kantonen ist hierzu überfällig.
Zudem genügt die gesamte Übertragungsinfrastruktur, von den Höchstspannungsleitungen bis lokalen Netzebene, der Verteilung erneuerbarer Energien nicht.
Auch ist zu bemängeln, dass bis heute keine Anreize für das Energiesparen gesetzt wurden.
Im Gegenteil ist der Verbrauch im Kanton Zürich durch die undifferenzierte Standortförderung weiter am steigen. Die Ansiedlung von Grossverbrauchern, wie den neu im Kanton angesiedelten Rechenzentren, wird bejubelt.
Es wird klar, dass der Umbau der Energieversorgung in den kleinmasstäblichen Verhältnissen der Schweiz nicht kantonal gelöst werden kann. Die Zusammenarbeit muss kantonsübergreifend erfolgen. Eine abgestimmte Strategie für haushälterischen Umgang, Produktion, Transport und Speicherung ist nötig. Hier eine aktive Rolle einzunehmen wäre dem Wirtschaftsstandort Zürich angemessen. Verantwortung für die Energiewende zu übernehmen heisst nicht, alles lokal zu lösen.
Stellungnahme des ZSL zur „Windenergieplanung Phase 2“
Bei der Durchsicht der „Windenergieplanung Phase 2“ wird die isolierte kantonale Betrachtungsweise des Vorhabens deutlich. Die Annahmen zu den Windverhältnissen beruhen auf groben Modellen, tragfähige Messreihen werden nicht aufgeführt. Da muss dann schon ein Standort nördlich des Randens als Vergleichsbeispiel herhalten, wobei jedem Ortskundigen die unterschiedlichen und deutlich weniger ertragreichen Strömungsverhältnisse vor allem im zentralen und südlichen Kantonsteil bekannt sind. Gegebenenfalls kann man sich ja anhand der öffentlich zugänglichen Strömungsanimationen eine eigene Meinung bilden.
Die Zürichseelandschaft – und sie ist dem Verein Zürichsee Landschaftsschutz vorrangig ein Anliegen – wird im Wesentlichen durch die im folgenden genannten Potenzialgebiete tangiert:
- 32 Obsirain; Stäfa/Hombrechtikon
- 33 Wädenswiler Berg; Wädenswil
- 42 Pfannenstiel; Herrliberg/Meilen/Egg/Küsnacht/Maur
- 43 Küsnachter Berg; Küsnacht/Erlenbach/Herrliberg
- 44 Zollikerberg; Zollikon
Während das „Potenzialgebiet 33 Wädenswiler Berg“ bereits zur Festlegung im Richtplan vorgesehen ist, werden die anderen oben genannten Potenzialgebiete als Zwischenergebnis taxiert.
Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Landschaftshaushalt
Der Kanton Zürich plant in den oben genannten Potenzialgebieten Windräder mit Höhen von 220 Metern zu errichten. Windräder sind neu in unserem landschaftlichen Kontext und damit vorerst fremd, aber als Zeichen moderner Technologie durchaus positiv konnotiert. In den windigen – und dünn besiedelten – Regionen Europas gehören sie schon seit Jahrzehnten zum Landschaftsbild. Sie wurden dort gebaut, weil dort die Windernte gross, andererseits die Siedlungsdichte gering ist. Sie veränderten die Charaktere dieser Landschaften, die ländliche Prägung wurde durch eine „technisch-industrielle“ ersetzt. Allerdings darfman feststellen, dass viele dieser älteren Windparks noch deutlich kleineren Windrädern um die 70 Meter ausgestattet sind und dementsprechend weniger dominant in Erscheinung treten.
Die Wirkung der Windkraftanlagen ist aus der Nähe und aus der Ferne unterschiedlich und von ihrer Grösse abhängig. Würden solche Windräder auf dem Pfannenstiel oder dem Zimmerberg stehen, wäre der Horizont, von der jeweils gegenüberliegenden Seeseite gesehen, durch diese neu definiert. Die Wahrnehmung der unbebauten Höhenlagen würde statt durch Wiesen und Wälder durch die Windräder dominiert. Bei Wind entstünde Bewegung, in der Nacht wären über dem Pfannenstiel die blinkenden Positionsleuchten der Windräder zu sehen. An Stelle einer ruhigen Aussicht entstünde Unruhe. Der Gesamtcharakter der Zürichseelandschaft – immerhin der Lebensraum von hunderttausenden von Menschen – würde massiv beeinträchtigt. Der Verein Freie Landschaft Zürich hat diese Wirkungen eindrücklich visualisiert.
In der Umgebung der Windkraftanlagen selbst würde sich die Erlebnisqualität fundamental ändern. In naturnaher Landschaft entstünde plötzlich Bewegung, welche in unmittelbarer Umgebung auch durch die raschen Schattenspiele Unruhe verursacht. Sollten die Windräder für einmal genügend Wind haben, ist der Geräuschkulisse nicht nur in unmittelbarer Nähe wahrnehmbar. Diese Windkraftanlagen würden die wenigen naturnahen Erholungsräume, welche die dicht besiedelte Zürichseelandschaft zu bieten hat, beeinträchtigen. Spazierende und Wandernde würden vergeblich Ruhe suchen. Sie müssten im Winter sogar die Umgebung dieser Windräder meiden, da Gefahr durch Eisschlag bestünde. Die Flucht aus dem Nebel an die Sonne wäre dann kompromittiert.
Windräder beeinträchtigen nicht nur den Menschen, sondern auch die Fauna. Auch wenn die oben genannten Standorte nicht eigentliche Vogelzugkorridore sind, so wird doch die Avifauna tangiert, Vogelschlag ist unvermeidlich. Wild, Kleinsäuger und Insekten würden hingegen vor allem durch die Erschliessungsanlagen (Pisten und Verkabelungen) beeinträchtigt.
Windkraftanlagen haben den vordergründigen Vorteil, dass sie rückbaubar sind. Doch zuerst müssen sie gebaut werden. Massive Fundamente sind notwendig, die Erschliessung mit Stromleitungen, aber vor allem die Erschliessungspisten zu den Standorten müssen erstellt werden. Diese Erschliessungen für die Turmsegmente und v.a. die über 50 Meter langen Rotoren sind gerade in einer kleinteiligen Landschaft, wie der unseren, äusserst anspruchsvoll. Die Eingriffe für diese Schwerverkehrspisten sind schwerwiegend für Landschaftsbild und Naturhaushalt. Es entstehen Einschnitts- und Schüttböschungen und breite Schneisen, da die Radien müssen für die überlangen Transporte von Gehölzen freigehalten werden müssen. Diese Eingriffe sind nicht temporär, sondern dauerhaft (siehe unten).
Grundsätzliche Kritik zur Methodik und zur Bearbeitungstiefe
Generell ist zu bedauern, dass die Kriterien, welche dieser Planung zugrunde liegen, zu wenig transparent gemacht werden.
Biologische Aspekte werden aufgegriffen, Inventare mehr oder weniger berücksichtigt, doch scheint bei genauerer Betrachtung der oben genannten Gebiete die Bearbeitungstiefe von unterschiedlicher Qualität und nicht genügend zu sein.
Die bauliche Erschliessung und deren temporäre sowie dauerhafte Eingriffe werden verniedlicht. Zudem werden die effektiven lokalen topografischen Verhältnisse falsch eingeschätzt. Die kleinräumigen Geländeverhältnisse (Steigungen / Böschungen) auf dem Pfannenstiel und am Zimmerberg werden grössere Geländeeingriffe zur Folge haben. Windräder dieser Grösse sind nun mal sperriger als ein Langholztransport. Diese Erschliessungspisten können auch nicht zurückgebaut werden, schliesslich müssen die Windkraftanlagen unterhalten und nach 20 bis 30 Jahren erneuert oder zurückgebaut werden.
Damit ist klar, dass neben dem eigentlichen Windrad die Erschliessungswege und die Verkabelung zu wesentlichen Beeinträchtigungen von Flora und Fauna sowie des Landschaftsbilds führen.
Eine entscheidende Kritik betrifft jedoch das gänzliche Fehlen eines Kriteriums „Erholung“. Die oben genannten Standorte belasten Landschaften mit extrem hoher Erholungsdichte und bis heute hoher Erholungsqualität. Über diesen Aspekt legt der vorliegende Bericht keine Aussagen vor. Angesichts der Bedeutung für die Erholung von über einer Viertelmillion Einwohner in den Bezirken Horgen und Meilen (Zürich nicht berücksichtigt) erscheint eine seriöse Standortbeurteilung so nicht tragfähig. Nicht nur werden Kernbereiche dieser Erholungsräume durch das Erscheinungsbild und die Bewegungen der Rotoren beeinträchtigt, vielmehr werden in den Wintermonaten weite Bereiche, wegen der Gefährdung durch Eisschlag unzulänglich sein. Die Zufahrtsschneisen wären in Zukunft per se für die Erholung unattraktiv.
Es ist klar, dass auf dieser Planungsstufe pauschalisiert werden muss, doch scheint die vorliegende Beurteilung zu heterogen und unvollständig.
Der vorliegenden Planung liegen die heutigen von der Industrie lieferbaren Windkraftanlagengrössen zugrunde. Es ist bekannt, dass die Industrie immer grössere Anlagen liefert und die kleineren aus dem Angebot nimmt. Werden beim Ersatz in 20 Jahren zwangsweise noch grössere Anlagen an diesen Standorten platziert?
Forderungen des ZSL
Es ist fragwürdig, aus einer sektoriell gedachten kantonalen Autonomiebestrebung heraus, unsere unter Druck stehenden Landschaften in einer Hauruckaktion zu opfern. Der ZSL fordert die kantonalen Behörden auf die vorliegende
Planung grundsätzlich zu überprüfen. Aus unserer Sicht sind die Beurteilungskriterien zu ergänzen, es sind präzisere und homogenere Beurteilungsstandards einzuführen und anzuwenden. Die Qualität der hier diskutierten Landschaft hat eine gründliche und sorgfältige Beurteilung verdient.
Die Potentialgebiete
- 32 Obsirain; Stäfa/Hombrechtikon
- 33 Wädenswiler Berg; Wädenswil
- 42 Pfannenstiel; Herrliberg/Meilen/Egg/Küsnacht/Maur
- 43 Küsnachter Berg; Küsnacht/Erlenbach/Herrliberg
- 44 Zollikerberg; Zollikon
in der besonders dicht besiedelten und empfindlichen Zürichseelandschaft sind nicht in den Richtplan aufzunehmen.
Der ZSL steht der Einführung eines kantonalen Plangenehmigungsverfahrens für grosse Windenergieanlagen kritisch gegenüber. Gründe dafür sind die reduzierte kommunale Entscheidungskompetenz und das daraus resultierende Konfliktpotenzial zwischen Kanton und Gemeinden. Zudem würde die Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf den Kanton die Mitbestimmung der Stimmberechtigten deutlich einschränken, was das Gefühl verstärken könnte, dass über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entschieden wird. Dies könnte Proteste und politischen Widerstand fördern. Da dieses Verfahren im Kanton Zürich selten ist, sind Gemeinden, Verbände und Bürger damit wenig vertraut, was Unmut, Misstrauen und Widerstand verstärken kann.